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literatur

Cover für „Schnell, dein Leben“ von Sylvie Schenk

Schnell, dein Leben

Sylvie Schenk

„Als kleines Mädchen der fünfziger Jahre weißt du von deiner Minderwertigkeit und möchtest lieber ein Junge sein. Der Wunsch bewirkt, dass du nie zum knallharten Feminismus konvertieren wirst. Männer sind die wichtigsten Akteure der Menschheit. Könnte man sich de Gaulle als Frau vorstellen? … Außerdem sind Jungen von ihren Vätern heiß geliebt, … und Jungs werden nicht schwanger.“

So einfach der Beginn des Romans „Schnell, dein Leben“ formuliert ist, so eindrücklich vermittelt er das Lebensgefühl der Kriegskindergeneration. Louise, Alter-Ego der 1944 in den französischen Alpen geborenen Schriftstellerin Sylvie Schenk, wächst auf mit den starren gesellschaftlichen Normen der Nachkriegsgesellschaft, geprägt von Schweigen, Verdrängung und Moralismus. Nach dem Abitur – noch längst nicht volljährig – darf sie nach Lyon zum Studium. Vom Vater finanziell kurz gehalten, spürt sie trotzdem ein erstes Gefühl von Eigenständigkeit, findet im Studentencafé neue Freunde und die Lieben ihres Lebens. Henri, Sohn eines von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfers und Johann, einer der ersten, die in Folge des deutsch-französischen Studentenaustauschs ein Gastsemester absolvieren.

Mit Henri macht Louise ihre ersten sexuellen Erfahrungen. Johann, der humorvolle und gebildete Apothekersohn, wird ihr Ehemann – gegen alle väterlichen Einwände. Mit ihm geht sie nach Deutschland, lernt die kulturellen Unterschiede kennen. Man gibt sich die Hand, anstatt sich zu küssen und „Du entdeckst, dass man abends kalt isst, eine Art Picknick, manchmal mit Heringen, meistens mit Wurst und Käse“. Doch viel stärker wirken die Gemeinsamkeiten, auch hier die patriarchalen Strukturen und das verdrängende Schweigen – es herrscht die bleierne Zeit vor 68. Aus ihrem Mann, dem lebenslustigen Pharmaziestudenten ist ein schweigsamer, sich der väterlichen Autorität unterordnender Apotheker geworden.

Schnell wird dieses Leben erzählt, in kurzen Kapiteln und in der zweiten Person Singular. Die Autorin vermeidet damit ebenso emotionale Nabelschau, wie allwissende Überheblichkeit. Eindrücklich – auch für die Generation der Kriegsenkel – schildert sie das schwierige Überwinden tiefer Prägungen, das Reden-lernen, das Sich-frei-machen, was so richtig erst beginnen kann, als die Eltern tot sind – auf beiden Seiten der Grenze.

Erschienen bei Goldmann Taschenbuch / 9,00 €

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