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literatur

Cover für „Léon und Louise“ von Alex Capus

Léon und Louise

Alex Capus

Der 17-jährige Léon Le Gall ist auf dem Weg zu seiner Stelle als Morseassistent, auf die er sich freiwillig gemeldet hat, als ihn mit einem hellen „Bonjour“ auf den Lippen eine junge Frau überholt. Bevor er eine Antwort formuliert hat, ist Louises rotgepunkteter Rock um die nächste Kurve verschwunden. Die Zeiten sind nicht rosig, in Europa tobt der Erste Weltkrieg, und die Aussichten, dass aus dieser kurzen Begegnung eine „ewige Liebe“ wird, sind nicht eben groß.

Genau von einer solchen erzählt uns der Schweizer Autor Alex Capus in „Léon und Louise“.

Ein halbes Jahr dauert es noch, bis Léon seine Angebetete zu einem Fahrradausflug an die normanische Küste überreden kann. Immer noch ist Krieg und auf der Rückfahrt geraten sie in einen Fliegerangriff und werden verwundet. Beide halten den jeweils anderen für tot und es dauert 10 Jahre bis sie sich zufällig in Paris wiedersehen.

Léon ist mittlerweile Chemiker bei der Polizei, hat eine Ehefrau und zwei Kinder, Louise arbeitet als Sekretärin bei der ‚Banque de France‘. In Memoriam wiederholen sie den Ausflug mit dem Auto und trennen sich danach erneut, diesmal aber freiwillig. Léon weil er sich nicht traut, alles aufzugeben, Louise weil sie Léons Leben respektieren will.

Wieder gehen Jahre ins Land. Europa ist erneut im Krieg, Frankreich wird von den Deutschen besetzt. Louise verläßt Paris, um in Afrika die Goldreserven Frankreichs und einiger befreundeter Staaten vor den Nazis in Sicherheit zu bringen. Sie schreibt Léon lange Briefe und berichtet ihm von ihrem Leben im Herzen Afrikas. Léon erlebt in Paris die Besatzung durch die Deutschen. Sie sind kultiviert, spendieren Kaffee und sind auf Ordnung bedacht, nur manchmal schimmert ein Hauch von Bedrohung durch. Das ist alles kein Weltuntergang.

Doch Vorsicht: Der Roman ist alles andere als idyllisch. Seine Personen sind bei aller Melancholie durchaus hintergründig und immer wieder bricht ganz unvermittelt die Geschichte über sie herein. So wie Louises Fahrradtouren im Ersten Weltkrieg kein Vergnügen waren, sondern Botenfahrten, um Familien vom Tod ihrer Angehörigen zu unterrichten, so kann hinter der erlesenen Höflichkeit eines Besatzungsoffiziers auch die ganz banale Bösartigkeit zutage treten.

Dass dies alles wunderbar lesbar bleibt, ist Capus‘ großem Können zu verdanken. Wenige deutschsprachige Gegenwartsautoren vermögen wie er historische Begebenheiten, skurrile Personen, Wichtiges und Zufall so ausgewogen zu mischen und zu einem Ganzen zu verarbeiten, dass große Kunst entsteht.

„‘Léon und Louise‘“, so schrieb die Zeitschrift „Literaturen“, genießt man wie einen dieser französischen Filme, die Melancholie und Heiterkeit, Romantik und Realismus, Kunst und Konvention (und ein bisschen Kitsch) souverän in der Schwebe halten.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Erschienen bei dtv / 10,90 €

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