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kinder/jugendbuch

Cover für „Krieg – Stell dir vor, er wäre hier“ von Janne Teller

Krieg – Stell dir vor, er wäre hier

Janne Teller

„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ So lautete einmal Artikel 16 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Den unmittelbaren Erfahrungen politischer Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus geschuldet, stand dieser schlichte Satz für das Recht auf Menschenwürde in Zeiten von Krieg und Terror. In Westeuropa herrscht seit über 60 Jahren Frieden. Das hat nicht nur dazu geführt, dass 1992 leider das Grundgesetz geändert wurde, sondern es bedeutet auch, dass Jugendliche heute zum Glück nicht wissen, was Krieg für den Einzelnen bedeutet.

Angesichts hitziger Asyldebatten in Europa sah sich die dänische Jugendbuchautorin Janne Teller zu einem Gedankenexperiment veranlasst. Ihre Idee ist ebenso einfach wie bestechend: Stell dir vor, es herrsche Krieg. Stell dir vor, du müsstest fliehen. Stell dir vor, du wärest in einem fremden Land.

Ganz direkt und unmittelbar wird der Leser in Tellers 50seitigen Essay angesprochen. Die Europäische Union ist zusammengebrochen, es herrscht Krieg in Deutschland.

„Du bist noch unversehrt, aber du hast Angst. Morgens, mittags, abends, nachts. Jedes Mal, wenn in der Ferne die Raketen abgefeuert werden, zuckst du zusammen...Schlimmer als die Angst ist der Hunger. Am allerschlimmsten ist die Kälte. Du frierst die ganze Zeit, und dabei ist es erst Anfang November. Du weißt nicht, wie ihr den Winter überleben sollt...Wohin sollt ihr gehen?...Es gibt kein Land, das weitere fünf Flüchtlinge haben will, Flüchtlinge, die die Sprache nicht beherrschen, die nicht wissen, wie man sich in einer klassischen Kulturgesellschaft benimmt,...Flüchtlinge, die nicht wissen, wie man in der Hitze lebt. Nein, es gibt kein Land, das die dekadenten Menschen aus dem Norden aufnehmen will.“

Schließlich findet der Leser – so direkt angesprochen und mit einem Flüchtlingsschicksal identifiziert – doch Aufnahme in Ägypten, verbringt zwei Jahre im Auffanglager, erhält lange keine Arbeitserlaubnis, lernt mühsam die Sprache, passt sich an, baut eine bescheidene Existenz auf und findet doch nie das, was er verloren hat: eine Heimat.

„Krieg – Stell dir vor, er wäre hier“ ist nicht mehr, aber auch nicht weniger, als ein Gedankenexperiment. Es liefert keine Patentlösungen für die Konflikte in unserer komplexen Welt, aber Denkanstöße für eine menschliche Haltung gegenüber Opfern dieser Konflikte.

Erschienen bei Hanser / 6,90 €

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